Friday, June 6, 2014

Blüte des Lebens - Georg Kostron

Musik-kritische Ausführungen im Staccato.



Vorweg: dieser Text wird in Kürze ins Lateinische übersetzt.

"Blüte des Lebens" ist eine stimmgewaltige Kraftkomposition. Ausgetüftelte Klänge begleiten diversiv zusammengetragene Klangschnipsel und garnieren - begleitet durch zeitkritischen Text - den ausgeprägten Hang zum liebevollen Detail. Das Album thematisiert an dessen Höhepunkt das Geschraube und Gedrehen an den Knöpfen der absoluten Machtkontrolle in der zentralen Schaltzentrale. Kurz: der tüftelnde Monarch seines unendlich großen Reichs der Effektkiste ist politisch.

Song 01. Raumschiff Maria

Ein routinierter Klick auf das nach rechts blickende Abspieldreieck, es wummert kurz - Dissonanz - zu leise? - kurzes Quietschen und sofort nach der Landung ist klar: dieses Album ist eingekochter Grüntee statt verdünntem Fruchtsaft. Der 1/4 Beat klopft hart ins Ohr, ist verwirrt ob des Textes und der vorsichtige Mitteleuropäer dreht ab Minute 2:30 sicherheitshalber etwas leiser. Ist das etwas zum Beten?

Song 02. Rostiges Rösslein

Versöhnlicher, Chorgesang, Melodie - zurücklehnen. Aber spätestens das Textfragment "Geld arbeitet - nicht" lässt die untertönig bittere Note anklingen. "Zügellos", "Sporen", "Peitsche" und todesbleiche Reiter mahnen den Hörer.

Song 03. Der kleine Tiger

Katzen möchten im monotonen Alltag eingelullt, sicher in der Box hockend, den Tag absitzen. Textlastiges Crescendo, maximal aufgedrehte Stimmen und songstrukturierte Abwechslung konfrontieren sie. Das Album schafft sich Raum und dehnt ... aus. Inneres Unbehagen, Stress und Unentspannung statt schmeichelnder Wohlfühlklänge.

Song 04. Lick My Face (edit)

Besuch einer altbekannten Zeitgenössin aus der "Sophia I" Phase. Musikalisch geben sich Elektronik, Instrument und die menschliche Mundschallöffnung die Hand. Sie zerren sdich gegeneinander in ihre jeweiligen Ecken, kurz kippt es in eine Ecke, nur um später explosiv zurückzuschnalzen.

Verbraucherhinweis: Spätestens an dieser Stelle wird eine erste Verschnaufpause empfohlen.

Song 05. Alle Welt

Vermeintlich poppig geht es weiter, aber der Refrain bestätigt: dies täuscht. Ein Abgesang auf das kollektive Weltbild. Inzwischen passen die sperrigen Klänge problemlos in den weit aufgemachten Raum. Es knarzt.

Song 06. Knapp vor Schaltraum

Herrlich! Das intellektuell stimulierende Latein dämpft die aufgewühlten animalistischen Emotionen, es trägt, man spürt: das Zentrum kommt für Wahr näher und man steht im Auge des Taifuns. Avantgardistische Elektronik, dann eine Orgel, ganz von der Ferne kanonenschussartige Paukenschläge.

Song 07. Süßes Kind

Fast fließend landet der Hörer in einem Liebeslied? Wer wird hier besungen? Die aufopfernde Schlusssteigerung dreht nochmals schnell am Sinn, erzeugt Verwirrung, die Entspannung ist schnell vorbei und schon ist 08 bereit für die Bühne.

Song 08. Schaltraum (edit)

Bitte Anschnallen. Treibender, hämmernder, minimalistischer Druck. Die Beats tänzeln mit sich selbst im trockenen Vakuum. Ein technokratisch editiertes Interludum entzieht jegliche Humanität, die elektrische Steuerung übernimmt das Ruder. Fast spirituelle Songskizzen beenden diesen Raubzug am Verstand. Wer hat ihn geraubt?

Song 09. Beistrich

Ein versöhnlich-humoristischer Aufgesang an die jugendliche Interpunktionskultur des Web 2.0.

Song 10. Wunderschön (edit)

Hitverdächtige Durtöne, Chöre, Mitsingmelodie, Geige, hin-und-her: heftig illussioniert, warm eingewickelt, was ist da los? Relativierende Schlagwörter gravitieren den Hörer wieder auf den rauhen Betonboden der Realität. Diese Blendung ist eine erfolgreiche.

Song 11. Küss den Tango

Der vielleicht treibendste Song des Albums. Kurzweilige Strukturzerlegungen und eingeworfene Schrägtöne bringen die schon gewohnte Unsicherheit wieder zurück. Auf-und-ab gesungene "Ah"s schrubben die bereits geröteten Großhirnfurchen wieder sauber. Es riecht nach Schweiß und Reinigungsmittel.

Song 12. Hans Tanz

Zurücklehnende Melodien, breit, kaugummiartig. Ein Akkordeon, etwas Echo, und diverse Aufforderungen an Hans verhallen im Hintergrund. Nachdenklichkeit macht sich breit. Ein gänsehautgarantierender Schlusschor.

Song 13. Der A

Nicht die Spur einer Scheu vor der Zahl 13. Es soll einfach weiter-so gehen, halt, ja, einfach weiter ... so. Hilflos gefangen im musikalischen Spinnennetz dieses Albums spannt sich ein weiterer Radialfaden in Richtung klassischem Clubsound. Tanz endlich. Im Kreis. Spätestens seit Snoweden wissen wir, dass sich auch Drohnen ständig im Kreis herum drehen.

Song 14. Tanzboutique

Der letzte Song. Ist Steigerung überhaupt noch möglich? Ein Schrei, Auftakt, 3, 2, 1. Was passiert hier? Ein sauber auskomponierter Song im deutsch-lateinischen Zwiegespräch wirft mit mehrdeutigen Fragmenten um sich. Dem Hörer wird ein kleine geheime Tür gezeigt: es ist der Notausgang in die Wirklichkeit.

Bonustrack.

Wer ein paar Minuten warten kann, wird mit einem acapellaartigem Songfragment belohnt. Es endet offen, ein Vorgeschmack auf einen Teil 2?


Abschlussbeurteilung:

9 von 10 Aes Grave.


Links:

f/undSeinManager